Das Urheberrecht ist zurzeit eines der polarisierenden Themen. Es heißt, die einen wollen es abschaffen und die anderen es behalten. Diese Diskussion erinnert an das verzweifelte Festhalten der Musikindustrie an die altbewährten Verbreitungswege via Schallplatte oder CD. Sie erinnert auch an das gute alte Kino, das weder das Fernsehen noch die Videothek verhindern konnte. Im Kern geht es um die simple Frage: Darf sich ein JEDER ungestraft des Eigentums eines ANDEREN aneignen? Aus meiner Sicht geht es nicht um die Abschaffung des Urheberrechts, sondern um eine Neufassung, eine Anpassung und um das Überleben des Urheberrechts.
Geschichte des Urheberrechts
Bis ins Mittelalter, also vor ungefähr 500 Jahren, kannte man gar kein Urheberrecht. Damals durften Bücher zwar nicht geklaut, aber sehr wohl abgeschrieben werden. „Die Bearbeitung eines Stoffes durch viele verschiedene Künstler und Autoren war der Normalfall, ebenso die Übernahme oder Veränderung von Liedern und Musikstücken durch andere Musiker.“ (Wikipedia) Als Plagiat wurde erstmals im alten Rom etwas bezeichnet, wenn ein Anderer behauptete, der eigentliche Autor zu sein. Erst mit der Erfindung des Buchdrucks (um 1440) erbaten sich die Drucker das „Privileg“, dass für eine bestimmte Zeit andere ein bestimmtes „geistiges Eigentum“ für bestimmte Zeit nicht nachdrucken durften. Das kam der damaligen absolutistischen Obrigkeit sehr entgegen, wollte man doch die Verbreitung von Gedanken kontrollieren. Das Zeitalter der Aufklärung wäre ohne eine Vielzahl von „Raubdrucken“ gar nicht vorstellbar. Erst als Verleger Mitte des 16. Jahrhundert auf die Idee kamen, Autoren Honorare zu zahlen, setzte sich das Verständnis durch, ihnen würde damit ein ausschließliches gewerbliches Schutzrecht zustehen. Ein englisches Gesetz von 1710, das so genannte Statute of Anne, erkannte als erstes ein ausschließliches Vervielfältigungsrecht der Autoren an, die es dann an die Verleger abtraten. (Wikipedia) Diese Sicht des Urheberrechts hat anschließend seinen Siegeszug um die ganze Welt angetreten und sieht sich erst durch das Internet vor neue Herausforderungen gestellt.
Urheberrecht kontra freier Zugang zum Welt-Wissen
Der Gesetzgeber versucht im digitalen Zeitalter das Vervielfältigungsrecht, das Recht auf Zugänglichmachung und das Copyright Management festzuschreiben, aber es wird ihm genauso wenig gelingen, wie es der Musikindustrie gelungen ist, das Zeitalter der CD und DVD festzuhalten. Es ist interessant zu beobachten, dass die technische Entwicklung uns zurückführt zu den Anfängen. Diktatoren können ihr Volk nicht mehr in Unwissenheit halten, die Verlage bestimmen nicht mehr allein, was Kunst ist und wer sie konsumieren darf. Das Neue, in welcher Form auch immer, wird seinen Weg finden. Es gibt kein Gesetz, welches auf längere Zeit eine notwendige Entwicklung hat aufhalten können. Und es muss jedem vernünftig denkenden Menschen verwundern, wenn Kindergärten für das Singen von Volksliedern GEMA zahlen sollen oder studentische Theatergruppen eine Erlaubnis der Verlage brauchen, um ein Stück zu spielen.
Freies NETZ contra Urheberrechtsdiskussion
Jede Adaption, jedes Cover, jede Neuerfindung eines bekannten Werkes wäre undenkbar. Und dennoch baut jedes geschriebene Buch auf das Lesen der Bücher vor dieser Zeit auf. Kein Musikwerk wäre vorstellbar ohne die erste olympische Ode der alten Griechen oder die Traktate des Mittelalters. Deshalb kann niemand alleiniger Eigentümer eines geistigen Werkes sein. Und der Schutz des geistigen Eigentums darf niemals zu Lasten der Freiheit im Netz durchgesetzt werden. Die Regelung könnte ganz einfach sein:
- Wer etwas ins Netz stellt, muss damit rechnen, dass es kopiert und verbreitet wird.
- Wer geistige Werke anderer ohne Zustimmung entgeltlich verbreitet, macht sich strafbar.
Eine Auftragsstudie der Wirtschaft aus dem Jahre 2011 konnte ohnehin nicht mehr als fünf Prozent der Bevölkerung ausfindig machen, die möglicherweise nicht legale Kopien von urheberrechtlich geschützten Werken heruntergeladen hatten. Und in dem Buch „Die digitale Gesellschaft. Netzpolitik, Bürgerrechte und die Machtfrage“ (Markus Beckedahl und Falk Lüke. Deutscher Taschenbuch Verlag, 2012, 14,90 Euro) ist zu lesen, dass allein von 2009 auf 2010 die Zahl der bezahlten digitalen Downloads im Bereich Musik um über 30 Prozent angestiegen ist. Warum also das ganze Geschrei und der Versuch, das Anti-Produktpiraterie-Handelsabkommen ACTA durchzusetzen. Die Künstler unseres Landes sollten sich ernsthaft mit der Frage auseinandersetzen, ob sie mit dem Festhalten am bisherigen Urheberrecht und dem Slogan der Musik-, Film- und Buchindustrie „Verlängern, verschärfen, verklagen“ die Freiheit des Netzes zu Grabe tragen wollen. Denn nichts anderes bedeutet ACTA. Amnesty International geht davon aus, „dass das Abkommen wegen seines Inhalts, der dort verankerten Verfahren und Institutionen negative Auswirkungen auf mehrere Menschenrechte hat, insbesondere das Recht auf ein angemessenes Verfahren, das Recht auf Achtung des Privatlebens, die Informationsfreiheit, Meinungsfreiheit und das Recht auf Zugang zu lebenswichtigen Medikamenten“. (Wikipedia)
Was ginge uns alles verloren?
Einige Beispiele aus meinem Spezialgebiet „Film“ sollen zeigen, was ein Gesetz wie ACTA alles aus dem Netz tilgen würde.
Der folgende angehende Ministerpräsident hätte sich ganz sicher nicht um Amt und Würden geredet, eine Landtagswahl und schließlich sein Ministeramt im Bund verloren, wenn eine seiner entlarvenden Aussagen „Bedauerlicherweise entscheiden die Wähler“ nicht via YouTube und Facebook ein Millionenpublikum erreicht hätte.
Auch das folgende Kunstwerk wäre uns vorenthalten worden. Nick McKaig ist Star Wars Fan und verehrt den Komponisten des Soundtracks John Williams. Deshalb stellte er sich 300 Stunden hinter ein Mikrofon und sang 90 Instrumente eines Orchesters nach. Er musste also 90 Tonspuren aufnehmen, um eine einzigartige Adaption der Titelmusik von Krieg der Sterne zu schaffen.
Um welche kreativen Leistungen ärmer wäre die Welt, wenn nicht immer wieder auch Künstler ihre Kunst kostenlos ins Netz stellen würden. Für den folgenden Film hat sich die Lichtfaktor-Crew aus Köln 4 kalte Nächte um die Ohren geschlagen und Bilder in die Nacht gemalt. Dafür haben die Macher ihre Taschenlampen vor einem Fotoapparat, der auf Langzeitbelichtung gestellt ist, bewegt. Die Fotos wirken manisch und sind verblüffend:
Auf den Bildern verschwimmen die Bewegungen zu einer einzigen grellen Figur aus Licht. Hunderte leicht versetzte Aufnahmen wurden später zu unglaublich faszinierenden Trickfilmen zusammengesetzt.
Liebe Künstler dieses Landes vergesst nicht: All das wäre ohne eine freies Netzt nicht vorstellbar.
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Dieser Artikel spricht mir aus der Seele. Viele junge Künstler stellen ihre Werke in das Netz und werden dadurch erst bekannt. Etablierte Künstler können jederzeit ihre Wirkung auf das internationale Publikum überprüfen …… machen damit ihre Kunstwerke zu Allgemeingut ….eine höhere Ehre kann niemanden widerfahren……Wer allerdings mit den Kreationen anderer Geld macht ist nichts als ein Dieb. Das läßt sich leicht überprüfen und geht ganz ohne Freiheitsbeschränkungen !!!
Lieber Lutz Deckwerth, Ihre Gedanken sind logisch und nachvollziehbar. Aber dennoch zeigen Sei nur eine Seite der Medaille auf und lassen die – sie bedingende – andere Seite verdeckt. Am Beispiel des grandiosen Star-Wars-Remix: Sicher hätten wir diese Kreation nicht (zu hören bekommen), wenn es nicht ein halbwegs freies Netz gäbe. Aber bitte vergessen Sie darüber nicht, zu fragen, ob wir das zugrundeliegende Werk von John Williams überhaupt hätten, wenn der Film Star Wars in einer Zeit des freien Netzes hätte entstehen müssen. Vielleicht nämlich hätte ein derart teurer Film (inklusive des teuren Soundtracks von John Williams) gar nicht entstehen können in einer Zeit der verkürzten urheberrechtlichen Schutzfristen und des (kosten-)freien Zugriffs auf alle Kulturgüter.
Sie stellen Ihre gesamte Argumentation auf die Prämisse, dass es die durch das freie Netz zum Wohle der Menschheit maximal zu verbreitenden Inhalte SOWIESO gibt oder unter allen Umständen geben würde. Das ist sehr kurzsichtig gedacht. In einem freien Netz, das nach einmaliger Bezahlung an die Urheber alle Werke kostenlos auf alle Zeiten zur Verfügung stellt, beginnt nämlich ein langsamer Ausverkauf des Vorhandenen bei gleichzeitiger Beschädigung der Basis für Neues.
Die basis potenziell hochwertiger kreativer Arbeit kann nämlich niemals die einmalige Bezahlung (durch wen auch immer) sein. Der höchste Anreiz ginge dabei verloren, nämlich die Entlohnung des Langzeit-Erfolgs von Einzelwerken. Niemand vermag kurz nach Werkerschaffung zu entscheiden, ob es sich um ein kurzlebiges oder langlebiges Werk handelt. Aber wenn der Künstler nicht die faire Chance hat, an einem sich eventuell einstellenden Langzeiterfolgs zu partizipieren, werden viele junge Menschen, die sich überlegen, ob sie ihre Existenz auf das Fundament ihres Kreativschaffens stellen, sich dagegen entscheiden (müssen).
Das können Sie auch nicht mit dem Argument aushebeln, für kommerzielle Nutzung solle ja gezahlt werden und es mache sich der strafbar, der Urheber nicht an kommerzieller Auswertung beteiligt. Denn welche kommerzielle Auswertung wird es langfristig überhaupt noch geben, wenn die Kostenlos-Alternative daneben liegt. Klar, ins Kino werden Menschen immer gehen, und einige werden auch immer mal wieder einen gut aufgemachten Tonträger kaufen. Aber Sie können nicht die enormen Einbußen leugnen, die letztlich der QUALITÄT neuer Werke zu schaffen machen. Nicht alles entspricht dem Low-Budget-Niveau (nicht zu verwechseln mit dem hohen künstlerischen Niveau) Ihrer Beispiele.
Jede ungebremste Vervielfältigung von Inhalten bedeutet eine Inflation ihres Gegenwerts. Oder wären Sie auch dafür, dass man Geldscheine frei vervielfältigen dürfte? Diese Inflation ist einen Langfrist-Auswirkung. Kurzfristig scheint erstmal alles rosig. Wir haben mehr Musik, Filme und auch Möglichkeiten, mehr aus dem bestehenden Repertoire zu machen. Wir hätten durch Vervielfältigen von Geld auch erstmal mehr Geld. Toll. Aber irgendwann holt uns das alles ein.
Sie verschieben also nur die negativen Konsequenzen auf später und lasten denen, die sie heute schon sehen, an, reaktionär zu sein. Was Sie hier als neue kreative Freiheit feiern, ist aber ein Strohfeuer.